Unser Behandlungsspektrum
Bruchversorgung im Kompetenzzentrum
Die operative Versorgung von Bauchwandbrüchen (Hernien) gehört zu den am häufigsten durchgeführten Eingriffen in der Allgemein- und Viszeralchirurgie. In Deutschland werden jedes Jahr circa 350.000 Operationen aufgrund von Hernien durchgeführt. Leistenbrüche kommen am häufigsten vor, gefolgt von Nabelbrüchen und Narbenbrüchen.
Eine Hernie ist eine Schwachstelle in der Bauchwand, durch die Eingeweide aus der Bauchhöhle hervortreten können. Dies kann nicht nur erhebliche Schmerzen verursachen, sondern auch zu einer Schädigung der ausgetretenen Strukturen führen – mit erheblichen Konsequenzen für die Gesundheit. Nur durch eine Operation, in der die defekte Bauchwand rekonstruiert und verstärkt wird kann eine Hernie geheilt werden.
Unser Hernienzentrum ist von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie und von der Deutschen Herniengesellschaft zertifiziertes Kompetenzzentrum für Hernienchirurgie. Unser Leistungsspektrum erfasst die Versorgung sämtlicher Hernien der Bauchdecke, inklusive der Versorgung von komplexen Narbenhernien und der Versorgung von parastomalen Hernien (Brüche im Bereich eines künstlichen Darmausganges):
- Leistenhernien
- Schenkelhernien
- Nabelhernien
- Epigastrische Hernien: Brüche zwischen Nabel und Brustbein
- Rektusdiastase: ein Auseinanderstehen der geraden Bauchmuskulatur. Es handelt sich hierbei um keine eigentliche Hernie. Eine Rektusdiastase muss jedoch bei gleichzeitig bestehender Nabelhernie oder epigastrischer Hernie für eine dauerhafte Bruchsanierung mitberücksichtigt werden.
- Narbenhernien: Brüche im Bereich einer Operationsnarbe
- Parastomale Hernien: Brüche im Bereich eines künstlichen Darmausganges
- Seltene Bauchwandhernien
- Rezidiv-Hernien: Wiederholungsbrüche an bereits operierter Stelle
- Zweitmeinungsverfahren: bei komplexen Narbenhernien, parastomalen Hernien oder Rezidiv-Hernien
Operationstechniken der Hernienchirurgie
Das therapeutische Konzept unseres Hernienzentrums Kusel zur Versorgung von Hernien und damit zur Wiederherstellung einer intakten Bauchwand berücksichtigt die aktuellen internationalen Leitlinien. Wann immer möglich und sinnvoll setzen wir gewebeschonende minimal-invasive Operationstechniken ein. Es gilt stets, ein auf den jeweiligen Patienten abgestimmtes individuelles Behandlungskonzept zu erstellen (Tailored approach = maßgeschneiderter Ansatz).
Zu unserer Philosophie unseres Hernienzentrums gehört es, dass Kunststoffnetze zur Gewebeverstärkung wann immer möglich in die Bauchwand und nicht in die Bauchhöhle implantiert werden sollten. Nur so ist zu gewährleisten, dass das Netz nicht mit den Organen des Bauchraumes, insbesondere den Darmschlingen in Kontakt kommt. Denn das kann folgenschwere Verwachsungen zur Folge haben. Im Folgenden wollen wir die am häufigsten durchgeführten Operationstechniken in der Hernienchirurgie kurz erläutern.
TAPP-Operation (Netzimplantation)
Die weitaus am häufigsten vorkommenden Hernien sind Leistenhernien. Sie machen rund 75 Prozent aller Brüche aus. Die Versorgung dieser Hernien in unserem Hernienzentrum Kusel erfolgt in der Regel laparoskopisch mit Netzverstärkung (TAPP-Operation). Das heißt, der Zugang zum Bruch findet über eine Bauchspiegelung mit sehr kleinen Schnitten statt (transabdominal) und das Netz wird vor das Bauchfell (Peritoneum), also in der Bauchwand, platziert. Die implantierten Netze sind leichtgewichtig, großporig, sehr gut gewebeverträglich (Fluorkunststoff PVDF, ohne Zusatzstoffe) und zur idealen Platzierung dreidimensional geformt.
Mit dieser besonders nervenschonenden Technik können alle Bruchpforten der Leistenregion sicher erkannt und versorgt werden, inklusive der über ein offenes Vorgehen (zum Beispiel OP nach Lichtenstein) nur schwer zugänglichen Schenkelhernie. Gegebenenfalls kann mittels TAPP auch ein zusätzlich bestehender Bruch auf der anderen Seite in einer Operation mitversorgt werden. Dies ist möglich ohne zusätzlichen Hautschnitt und ohne eine Verlängerung des stationären Aufenthaltes oder der anschließenden Arbeitsunfähigkeit.
Von der TAPP-Technik profitieren insbesondere junge Patienten (nervenschonend), Patienten mit beidseitigen Hernien, Frauen (hoher Anteil von Schenkelhernien) und Patienten mit einem erneuten Bruch nach offener Voroperation.
Operation nach Lichtenstein (Netzverfahren)
Die Operation nach Lichtenstein ist eine OP-Technik zur Versorgung von Leistenhernien mittels Netzimplantation über einen offenen Zugang. Die Lichtenstein-OP kommt dann zum Einsatz, wenn eine TAPP-OP aufgrund eines erhöhten Komplikationsrisikos nicht sinnvoll ist. Dies ist zum Beispiel der Fall bei sehr großen Brüchen, die bis in den Hodensack reichen und dort fixiert sind oder bei Voroperationen im kleinen Becken, wie nach einer Entfernung der Prostata aufgrund eines Krebsleidens oder nach einer offenen Gefäßoperation im Becken.
Operation nach Shouldice (Nahtverfahren)
Die Operation nach Shouldice ist ein Nahtverfahren zur Versorgung von Leistenhernien. Diese Technik weist die besten Ergebnisse von allen Nahtverfahren auf. Sie ist den Netzverfahren jedoch aufgrund der erhöhten Rezidivrate (erneuter Bruch an gleicher Stelle) unterlegen. Außerdem ist die Methode aufgrund der erforderlichen Fasziendopplung nicht spannungsfrei und deshalb schmerzhafter.
Nahtverfahren werden in der Versorgung von Leistenhernien beim Erwachsenen nur noch sehr selten angewandt. Falls bei einer eingeklemmten Hernie eine Entzündung der Bauchdecke oder des Bauchraumes vorliegt, kann es erforderlich sein, auf ein Nahtverfahren zurückzugreifen, um eine Netzinfektion zu vermeiden.
Bei sehr kleinen Nabelhernien kann eine Versorgung durch alleinige Naht der Bruchpforte ausreichend sein. Voraussetzung für eine dauerhafte Sanierung ist, dass keine zusätzlichen Risikofaktoren bestehen, die einen Wiederholungsbruch begünstigen (zum Beispiel eine Rektusdiastase oder eine höhergradige Adipositas).
Sublay-Technik (Offenes Operationsverfahren)
Sublay heißt übersetzt "unterlegen" und bezieht sich auf die Position des implantierten Netzes in Bezug auf die gerade Bauchmuskulatur. Das Netz wird bei dieser offenen Operation in die Schicht direkt unterhalb der geraden Bachmuskulatur und vor dem hinteren Blatt der Rektusscheide (einer Hülle aus Sehnenplatten, die die Muskulatur umschließt) platziert. Dies ist die ideale Position des Netzes zur Versorgung von Hernien im Bereich der Mittellinie der Bauchdecke (zum Beispiel bei größeren Nabelhernien oder bei Narbenhernien).
Bei sehr großen Hernien kann dieses Operationsverfahren mit anderen Techniken kombiniert werden, um die Bauchdecke zu rekonstruieren, zum Beispiel einer Komponentenseparation (Separation der Muskelschichten der Bauchdecke) oder einer intraabdominalen Bauchdeckendehnung (AWEX = Abdominal Wall Expanding System).
eMILOS-Operation (Hybrid-Technik)
„eMILOS“ steht für „endoskopisch assistierte Mini or Less Open Sublay“ und ist eine Weiterentwickung der offenen Sublay-Technik. Über einen kleinen Schnitt wird der Bruch in der Bauchwand dargestellt. Anschließend erfolgt die endoskopisch unterstützte Präparation des Raumes hinter der geraden Bauchmuskulatur für das zu implantierende Netz.
Dieses Operationsverfahren kombiniert die Vorteile der offenen Sublay-Technik (ideale Netzlage in der Bauchwand ohne Kontakt zu den Organen in der Bauchhöhle) mit der niedrigen Rate an Wundheilungsstörungen der laparoskopischen IPOM-Technik (bei welcher das Netz allerdings im Bauchraum platziert wird). Die eMILOS-Technik ist unser Standardverfahren zur Versorgung größerer Nabelhernien, Nabelhernien mit gleichzeitig bestehender Rektusdiastase und zur Versorgung von kleinen bis mittelgroßen Narbenhernien.
Qualitätssicherung: Siegel der Deutschen Herniengesellschaft
Der Erfolg einer jeden Hernienoperation wird gemessen an den Kriterien Rezidivrate (Auftreten eines erneuten Bruches an gleicher Stelle) und Schmerzen (vor allem Schmerzen, die über den normalen Wundschmerz hinaus über Monate fortbestehen).
Unsere Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie in Kusel nimmt an der Qualitätssicherungsstudie Herniamed teil. Alle an einer Hernie operierten Patienten werden anonymisiert in einem Register erfasst und es erfolgt eine programmierte Nachsorge zur Qualitätskontrolle. Die Deutsche Herniengesellschaft hat unserem Hernienzentrum das Siegel „DHG-Siegel Qualitätsgesicherte Hernienchirurgie“ verliehen.
Verglichen mit dem Gesamtkollektiv der registrierten Patienten im Multicenter-Register Herniamed weisen die in unserem Hernienzentrum an einer Leistenhernie oder einer Narbenhernie operierten Patienten eine deutlich niedrigere Rezidivrate nach einem Jahr auf. Auch chronische Schmerzen, insbesondere nach operierter Narbenhernie, treten deutlich seltener auf als im Gesamtkollektiv des Herniamed-Registers.
Prophylaxe: Niedrigere Hernienrate durch minimal-invasive Chirurgie
Ursächlich für die Entstehung einer Hernie ist in den meisten Fällen eine Bindegewebsschwäche. Oftmals kommen ungünstige Faktoren hinzu, die den Druck im Bauchraum erhöhen (chronischer Husten, Übergewicht, schwere körperliche Betätigung). Eine Hernie lässt sich durch eigenes Zutun kaum vermeiden.
Umso wichtiger ist es, als Chirurg dafür zu sorgen, die Wahrscheinlichkeit einer Narbenhernie so gering wie möglich zu halten. Dies kann zum einen durch ein möglichst kleines Zugangstrauma erreicht werden mittels minimal-invasiver Chirurgie (MIC). Die Narben, die hierbei entstehen, sind deutlich kleiner. Auch trägt ein geeigneter Bauchdeckenverschluss in der offenen Chirurgie zu einer niedrigeren Hernienrate bei (sogenannte Small-Stitch-Technik).