Jeder trauert anders

  • Trauer hängt zum einen von Vorerfahrungen ab und davon, welche Trauer-Erfahrung man als Kind schon machen musste. Zum anderen hat die Persönlichkeit einen großen Einfluss darauf, in welchem Maße Gefühle wahrgenommen und auch weggedrückt (dissoziiert) werden können.
  • Ob der Tod plötzlich kam oder man sich darauf vorbereiten konnte, spielt ebenfalls eine große Rolle für die Trauer. Plötzlich heißt, die unteren, unbewussten Gefühlszentren bekommen in ihrer Heftigkeit jetzt eine neue Information, mit der sie plötzlich umgehen müssen. Begleitet man seinen Angehörigen z. B. bei einer schweren Erkrankung, kann sich das Gehirn als Vorhersagemaschine langsam den Gefühlen des nahenden Todes immer wieder stellen und, da der Angehörige ja noch lebt, wieder wegdrücken. Damit kommt man häufig deutlich besser mit der Trauer zurecht.
  • Die persönliche Wichtigkeit der verstorbenen Person ist ein sehr entscheidender Faktor für die Heftigkeit der Trauer.
  • Wie viel Selbstwert man hat und wie selbstständig man ist, spielen ebenfalls für die Trauer eine große Rolle. Je weniger Selbstwert man hat und je mehr man sich gefühlsmäßig abhängig vom Partner fühlt und bei ihm Halt suchte, desto mehr erinnert alles an den Verstorbenen. Nach dem Tod muss der Trauernde erst lernen, mutiger und eigenständiger zu werden. Wenn ich als Person eigenständig bin mit eigenen Zielen, Arbeitsumfeld bis hin zu Freunden, werden diese Bereiche weniger von dem Verlust beeinflusst.
  • Je glücklicher man mit einer Person war, desto heftiger und teilweise länger besteht die Trauer.
  • Je kränker jemand war und sehr litt, desto schneller kommen Angehörige mit der Trauer zurecht und können es teilweise als Erlösung für den schwer Erkrankten empfinden.

Persönlichkeitsunterschiede

  • Es gibt Menschen, die sehr emotional sind und hierdurch alle Gefühle eher stark empfinden. Diese Menschen können die Trauer heftig durchleben und sind häufig für eine Zeit ganz von diesen vereinnahmt.
  • Es gibt jedoch auch Menschen, die von sich sagen, dass sie eher wenig Gefühl haben. Somit erleben diese Menschen auch die Trauer etwas gedämpfter als die zuerst genannte Gruppe.
  • Es gibt Menschen, die Gefühle mehr unter Kontrolle haben und diese schneller wegdrücken können, und andere die völlig von den Gefühlen überrollt werden. Hier spielen auch Vorerfahrungen aus der Kindheit eine Rolle. Manch einer musste schon als Kind in traumatischen Situationen lernen, die Gefühle wegzudrücken. Das Gelernte kann dann auch später wieder angewandt werden.

Ist Trauer wegdrücken oder ausleben richtig?

  • Manche drängen nach dem Tod eines geliebten Angehörigen alle Gefühle schnell weg, wollen nicht an die Person erinnert werden. Zum Beispiel werden Bilder schnell, teilweise noch am selben Tag, aus der Wohnung genommen. Hierdurch wollen sich die Betroffenen vor Gefühlen schützen, aus Angst, diese nicht aushalten zu können. Denn gerade in der Anfangszeit kommen bei jedem Erinnern an die Person heftige Gefühle hoch.
  • Ist dies jetzt gut oder schlecht? Trauer braucht vor allem am Anfang Zeit. Nach 2 Wochen sind Gefühle schon etwas verändert, nach 4 Wochen nochmals, nach 6 Monaten häufig deutlich verändert. Auch Menschen, die die Trauer wegdrücken, beschreiben, dass nach einer gewissen Zeit die Trauer etwas weniger geworden ist. Ob es das Gehirn in dieser Zeit schafft, die negativen Gefühle zu verknüpfen, auch wenn sie weggedrückt werden, kann nur die Zeit zeigen. Falls jedoch auch nach einem halben oder einem Jahr die Gefühle noch heftig sind, kann Hilfe in Anspruch genommen werden.
  • Der andere Weg wäre, sich den Trauer-Gefühlen zu stellen, jedoch auch nicht notwendigerweise den ganzen Tag lang. Je mehr man sich den Gefühlen stellt, diese z. B. auch mit anderen bespricht und zulässt, kann das Gehirn Wege finden, die diese zu verknüpfen und damit langfristig eine deutliche Besserung erzielen. Es kann sehr hilfreich sein, die Trauer nicht über Stunden zuzulassen. Man sollte sich jedoch Phasen am Tag oder in der Woche nehmen, bei denen man an den Verstorbenen denkt. Somit kann man die Trauer dosierter zulassen, und häufig beschreiben Menschen, dass sie durch dieses Vorgehen besser damit zurechtkommen. Gerade am Anfang erinnert alles Mögliche an den Betroffenen. Somit kommen die heftigen Gefühle auch immer wieder hoch. Wenn die Trauer gerade als störend empfunden wird, kann man sich vornehmen, später an die verstorbene Person zu denken, aber gerade eben nicht.

Wie geht man mit Schuldgefühlen um?

Ganz häufig bestehen Schuldgefühle, weil man z. B. bei der letzten Begegnung Streit oder keine guten Worte oder Gefühle füreinander hatte. Diese Schuldgefühle haben sehr viele Menschen. Häufig besteht keine richtige objektive Schuld und damit ist dieses Gefühl der Versuch des Gehirns, Gefühle einzuordnen. Gerade bei Verlusten von Menschen denkt das Gehirn darüber nach, was man selbst falsch gemacht haben könnte. Dies ist ein normaler Vorgang, der ganz viele Menschen betrifft. Bei dieser Suche kann unser kreatives Gehirn immer eine Situation finden, die negativ war. Dieses Schuldgefühl kann jedoch den Umgang mit der Trauer erheblich erschweren und verlängern. Wichtig ist, die Trauer zuzulassen und sich zu sagen, dass man nicht schuld daran ist, dass derjenige gestorben ist.

Wie geht man damit um, wenn kein Abschied möglich ist?

Der Gedanke, dass der Angehörige allein, z. B. im Krankenhaus, gstorben ist, kann eine große Belastung sein. Der Wunsch, in diesem Moment bei ihm gewesen zu sein, ist für viele groß. Schuldgefühle den Angehörigen gegenüber können daraus resultieren. Jedoch gibt es auch viele Berichte, dass Betroffene erst gestorben sind und loslassen konnten, als die Angehörigen weg waren.

Was kann man machen, wenn man den Angehörigen auch nach dem Tod nicht sehen kann? Dieser innere Vermisstenzustand, d. h. nicht glauben zu können, dass der Angehörige tot ist, da man ihn nicht nach seinem Tod sehen konnte, kann gerade in der Anfangszeit schwierig sein. Hierzu braucht es häufig auch etwas Zeit, damit unser Gehirn den Verlust begreifen und auch zulassen kann.

Was kann helfen, um mit den Gefühlen des Nicht-Wahrhaben-Wollens umzugehen?

Manchen Menschen hilft es sich zu überlegen, wie man sich von seinem geliebten Angehörigen verabschieden möchte. Dies kann bei der Beerdigung sein oder bei einem Ritual zu Hause, man kann mit dem Verstorbenen innerlich sprechen oder seine Gedanken der Verabschiedung in einen Brief schreiben. Innerlich mit dem toten Angehörigen zu sprechen hilft vielen Menschen in dieser schweren Zeit. Viele wollen den Verstorbenen bei der Beerdigung noch nicht loslassen und können sich noch nicht verabschieden. Diese Menschen brauchen häufig noch mehr Zeit, um mit dem Verlust umgehen zu können.

Schwere des Verlustes