18.04.2019 12:08 // Die Hernie im Zentrum

Die Versorgung von Bauchwandbrüchen gehört zu den häufigsten Eingriffen in der Allgemein- und Viszeralchirurgie. Dr. med. Clinton Luedtke, Operateur im Kompetenzzentrum für Hernienchirurgie Kusel, informiert über die Entstehung von Hernien und über die einzige Behandlungsmethode, die eine Hernie heilen kann: die Operation.

Was ist eine Hernie?
Eine Hernie (griechisch für Knospe) ist eine Ausstülpung von Bauchfell (Bruchsack) durch eine Lücke (Bruchpforte) in der Bauchwand. Durch diese Bruchpforte können sich Organe des Bauchraumes, zum Beispiel Darmschlingen, in den Bruchsack verlagern. Wie entsteht eine Hernie?
Zwei Faktoren spielen eine wesentliche Rolle in der Entstehung einer Hernie: Zum einen eine Bindegewebsschwäche, zum anderen ein erhöhter Druck im Bauchraum, der über einen längeren Zeitraum besteht. Ungünstig auf die Stärke des Bindegewebes wirken sich zum Beispiel Rauchen und Diabetes aus. Die meisten Patienten, die eine Hernie entwickeln, haben ein Bindegewebe, bei dem die Bausteine, das Kollagen, in einem fehlerhaften Mischungsverhältnis zusammengestellt sind. Dies tritt auch allgemein im höheren Lebensalter vermehrt auf. Ein erhöhter Druck im Bauchraum besteht zum Beispiel bei ausgeprägtem Übergewicht, bei chronischem Husten oder bei schwerer körperlicher Arbeit. Kommt zu einem geschwächten Bindegewebe ein dauerhaft erhöhter Druck im Bauchraum hinzu, entsteht an den typischen Schwachstellen der Bauchwand, an denen keine schützende Muskelschicht vorliegt, eine Hernie. Das kann zum Beispiel am Nabel, in der Leiste oder an Narben nach vorausgegangenen Bauchoperationen der Fall sein. Kann ich dem vorbeugen?
Der wesentliche Faktor für die Entstehung einer Hernie, das fehlerhafte Kollagen-Mischungsverhältnis des Bindegewebes lässt sich nicht beeinflussen. Auf bestimmte ungünstige Begleitfaktoren hat man dagegen schon einen Einfluss. Man kann mit dem Rauchen aufhören und Übergewicht reduzieren. Woran erkenne ich, dass ich einen Weichteilbruch habe?
Die Ausstülpung des Bauchfells durch die Bruchlücke kann große Ausmaße annehmen. Aber auch kleinere Bruchsäcke kann man meist als Vorwölbung der Bauchwand gut erkennen. Wölben sich Bestandteile des Bauchraumes in den Bruchsack hinein wird dies oft als schmerzhaft empfunden. Viele Patienten berichten von einem „Ziehen“ an der Stelle des Bruches, vor allem bei Belastung. Kann ich eine Hernie selbst in den Griff bekommen?
Neben den erworbenen Hernien gibt es auch angeborene Hernien (3 Prozent aller Kinder). Von diesen angeborenen Hernien bilden sich nur die Hernien am Nabel in den ersten beiden Lebensjahren in den meisten Fällen von selbst zurück. Alle anderen Hernien können nur durch eine Operation geheilt werden. Und nur eine Operation schützt vor den Gefahren einer Hernie. Wie gefährlich ist eine unbehandelte Hernie?
Hernien sind Schäden in der Bauchwand und schränken dadurch die Funktion der Bauchwand ein – mit vielseitigen negativen Folgen. Je nach Ausprägung der Hernie sind das zum Beispiel eine eingeschränkte Rumpfbeweglichkeit, Entleerungsstörung von Darm und Blase, Wirbelsäulenerkrankungen durch einen vermehrten Kraftaufwand der Rückenmuskulatur und erhöhte Druckbelastung auf die Bandscheiben, Verlust der Schutzfunktion der inneren Organe. All dies kann die Lebensqualität erheblich einschränken. Die größte Gefahr einer unbehandelten Hernie ist jedoch die Einklemmung von Darm oder anderen Bauchorganen. Rutscht zum Beispiel eine Darmschlinge durch die Bruchpforte und klemmt ein, kann sich in der Folge die Durchblutung verringern oder ganz gestoppt werden. Dies führt zu einem Darmverschluss und zu einem Absterben des eingeklemmten Organs. Ein sehr schmerzhafter, lebensgefährlicher Notfall. Was passiert bei der Operation?
Bei der Operation einer Hernie wird die defekte Bauchwand repariert. In den meisten Fällen ist dafür eine Verstärkung mittels Kunststoffnetz erforderlich. In unserer Klinik werden die Operationen vorwiegend minimalinvasiv endoskopisch durchgeführt. Das heißt der Zugang zur Hernie erfolgt über nur sehr kleine Schnitte, oft nur wenige Millimeter lang. Die Netze werden dabei nicht im Bauchraum sondern in der Bauchwand platziert, ohne Kontakt zu den Bauchorganen. So kann ein Verwachsen von Darmschlingen mit dem Netz verhindert werden. Wie schnell bin ich nach der OP wieder fit?
Bei der in unserer Klinik am häufigsten durchgeführten Operation zur Behandlung von Leistenbrüchen, der endoskopischen TAPP-Technik, ist nach einem kurzstationären Aufenthalt von einer Übernachtung die Rückkehr in Alltag rasch möglich. Durch das minimale Zugangstrauma bestehen postoperativ kaum Einschränkungen. Auch für Operationen an der Bauchdecke, bei großen Nabelhernien oder bei Narbenhernien, ist oft ein minimal-invasives endoskopisches Vorgehen möglich. Auch große Netze können über kleine Schnitte in die Bauchwand eingebracht werden (MILOS-Technik). Diese Patienten profitieren dann ebenfalls von einer schnelleren Regeneration.

Dr. med. Clinton Luedtke, Oberarzt der Klinik für Allgemein- und Gefäßchirurgie am Standort Kusel und Operateur im Kompetenzzentrum für Hernienchirurgie